Es gibt die Goldmarie und die Pechmarie. Zumindest in Grimms Märchen.
Und dann gibt es noch die SandMarie. Die sitzt manchmal auf einer emiratischen Düne und lässt den Sand durch ihre Finger rinnen. So wie die Sandkörner herab, fließen dann gelegentlich Buchstaben durch ihren Sinn, welche sich zu Worten und Sätzen fügen: Über das Leben allgemein, das Leben als Expat in den Emiraten, über Menschen, Bücher (z.B. mein eigenes, s.o.), Erlebnisse....

Montag, 3. November 2014

Oktoberfest: Vom Deutsch-Sein im Ausland


Unlängst fanden hier einige OKTOBERFEST-Veranstaltungen statt. Wie ja rund um den Globus, das verbreitet sich offenbar epidemisch! Oktoberfest in Honkong, Mexico-City oder eben Abu Dhabi. Klingt reichlich schräg, stimmt's?
Hm. In Deutschland käme ich wohl im Traum nicht auf die Idee, auf ein Oktoberfest mit Schunkel-Schlagern, Bier, Haxn und lauten Massengesängen zu gehen. Ich bin ja keine Bayerin! Selbst an den Ursprungsort, nach München selbst, zieht es mich inzwischen nicht mehr. Dafür aber hole ich hier, in der Wüste, jeden Herbst mein eigens dazu angeschafftes Dirndl aus dem Schrank, hebe meine Maß Bier, tanze auf dem Tisch und singe mit 1500 anderen Leuten gemeinsam lauthals sowas wie "In München steht ein Hofbräuhaus / Aans, zwoa, g'suffa!"), "Das ist Wahnsinn! (Hölle-Hölle-Hölle)" von Wolfgang Petry oder neuerdings "Atemlos" von Helene Fischer mit. Und wundere mich dabei, woher ich denn bloß die Texte kann? (Wer mich kennt, weiß auch, warum.)

Was mich zu der Frage veranlasste: Wie "deutsch" ist, bleibt - oder wird? - der Deutsche im Ausland mit der Zeit? Oder auch nicht!

Die Dirndl-Dichte war auch auf emiratischen Oktoberfesten bermerkenswert hoch,
Und wird sogar von Nicht-Bayern oder gar Nicht-Deutschen fleißig auf der Höhe gehalten!
 

Verschiebungen


Seit ca. 15 Jahren nun lebe ich im Ausland, von einigen Unterbrechungen an der Heimatfront abgesehen. Natürlich verändert man sich während so einer langen Zeit als Mensch, so oder so. Mit wechselnd fremdem Umfeld vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als üblich.
Deutsch zu sein hatte für mich früher keine besondere Bedeutung. Als ich dann im Ausland zu leben begann, veränderte sich natürlich auch das. Ich bin nicht "stolz", aber es gibt auch keinen Grund zur falschen Scham, denn überall schlägt einem heutzutage eigentlich große Sympathie entgegen, wenn man auf die Frage, wo man denn herstamme, "from Germany" sagt. 
In solchen Momenten wird mir aber auch bewusst, dass ich für das jeweilige Gegenüber, der oder die möglicherweise noch nicht oft Deutsche in persona kennengelernt hat, so eine Art "Botschafter" meines Landes bin: Je nachdem, wie ich bei demjenigen "ankomme", wird genau dies dessen Bild von "den Deutschen als solche" prägen; so unsinnig das auch sein mag. Also gebe ich mir Mühe, mein Heimatland möglichst positiv zu vertreten (heißt oft einfach: Freundlich zu sein und sich nicht danebenzubenehmen).

"Deutscher" als je zuvor bin ich im Ausland, wenn ich - siehe oben - mich auf Oktoberfesten verlustiere ... mich dabei allerdings auch frage, welches Deutschland-"Bild" da eigentlich zu den Menschen aus anderen Ländern transportiert wird? 
Deutscher als in Deutschland bin ich gewiss, wenn ich vor Weihnachten beginne, Dresdner Christstollen zu backen. In der Heimat ginge ich einfach zum Bäcker... Super deutsch habe ich jahrelang meinen Quark und das Schwarzbrot selbst gemacht. Und Ostereier wurden immer versteckt; je nach Klimazone vorzugsweise aber nicht aus Schokolade.... Deutsch bin ich auch in punkto Pünktlichkeit geblieben: Egal, wie vorhersehbar spät der Gesprächspartner nach mir kommen mag, egal wie spät die Veranstaltung vorhersehbar nach dem offiziellen Beginn startet.... nicht "punkt" da zu sein verursacht mir immer noch Unwohlsein und Herzrasen.

Aber in anderer Hinsicht hat man sich im Laufe der Jahre auch etwas angepasst. Da wurden "deutsche" Kanten wohl abgeschmirgelt. Wartezeiten, auf was auch immer (s.o. ausgemachte Zeiten, aber auch an Ladenkassen, auf Handwerker,.....) nehme ich nach langem, hartem "Training" mittlerweile mit der nötigen orientalischen Gelassenheit hin. Anders würde ich wohl ständig kurz vor dem Herzanfall stehen! 
Ich bemühe mich um einen freundlichen Gesichtsausdruck oder auch mal ein Lächeln "außer der Reihe" im täglichen Miteinander mit der Umwelt - einfach, weil man außerhalb Deutschlands eben auch oft wesentlich freundlicher mit mir umgeht. Mein Deutsch hat sich wahrscheinlich auch verändert - oft geht es Richtung "Denglisch" mit je nach Aufenthaltsland eingestreuten Brocken der dortigen Alltagssprache. Hat in unserem Falle nichts mit Angeberei zu tun, sondern ergibt sich manchmal einfach so, weil man immer das Wort benutzt, was einem gerade zuerst einfällt!
Bei vielen Aufregern und "Skandalen", welche durch die deutsche Presse gehen (z.B. Pestizide in Lebensmitteln, Weichmacher in was-weiß-ich, Streiks in einem Stadtteil) und überhaupt bei Regularien für alles und jeden zucke ich inzwischen oft nur noch mit der Schulter. Zu oft gesehen, dass nun mal vieles "geht" und man dennoch weiterlebt. 

Vergleiche


Permanent beginnt man auch automatisch Gegebenheiten zu vergleichen zwischen verschiedenen Ländern oder Kulturen: An einem Ort ist alles chaotischer, am anderen besonders hilfsbereit, wieder woanders brauchen Kinder nirgends Eintritt zu zahlen. Sie werden entweder extrem verwöhnt oder aber sollten am besten gar nicht durch zur Schau gestellte "Individualität" auffallen. Da scheint Bildung ein hohes Gut, woanders Gegenständliches Priorität zu haben. In manchen Weltgegenden rasten die Leute total wegen König Fußball aus und zentrieren geradezu ihr Leben darum - woanders aber wegen Cricket oder Baseball! Hie dreht sich alles um Berufsleben und Arbeit, da eher um die Familie. In einem Land sollte man keinen nackten Bauch zeigen, woanders hingegen ist das kein Problem, dafür aber nackte Schultern. Usw....
Dieses ständige Vergleichen bringt ielleicht diese relative Gelassenheit oder auch Abgebrühtheit (?) in vielen Dingen mit sich, nehme ich an. Ich sehe ja: Man kann es so oder so machen, oder ganz anders. Möglicherweise ist das auch das, was man gemeinhin Toleranz nennt.

Naja, und sicher ist es keinesfalls mehr "deutsch", dass ich - und auch unsere Kinder - sich nach Regen sehnen und 'wolkenverhangen' inzwischen eindeutig knalliger Sonne vorziehen!

Festzelt mit Festbier - aber nicht in München, sondern in Abu Dhabi!