Es gibt die Goldmarie und die Pechmarie. Zumindest in Grimms Märchen.
Und dann gibt es noch die SandMarie. Die sitzt manchmal auf einer emiratischen Düne und lässt den Sand durch ihre Finger rinnen. So wie die Sandkörner herab, fließen dann gelegentlich Buchstaben durch ihren Sinn, welche sich zu Worten und Sätzen fügen: Über das Leben allgemein, das Leben als Expat in den Emiraten, über Menschen, Bücher (z.B. mein eigenes, s.o.), Erlebnisse....

Dienstag, 20. Juni 2017

Abschied von Abu Dhabi - Ma'a salama



Bei TRIPADVISOR wurde die Sheikh Zayed Moschee Abu Dhabi 2017 zur zweitbedeutendsten Sehenswürdigkeit der Welt gewählt, gleich nach Angkor Wat. 



Das hier ist mein Abschieds-Beitrag.

Abschied zumindest von den wahrlich zur Zweitheimat gewordenen Vereinigten Arabischen Emiraten und Abu Dhabi. Abschied auch von diesem Blog, das mit unserer Rückkehr nach Deutschland nun endet.
Ich werde die Texte jedoch stehenlassen - in der Vergangenheit scheinen sie manchem aus nah und fern zur Information oder auch Unterhaltung gedient zu haben. Das sollen sie gern auch weiterhin.

 
Leeres Haus, voller Terminplan.
                                                    Abschiede, Abschiede, Abschiede.
                                                                                                              Expat-Leben eben.


Abschied vom Haus, vom Compound, vom Auto. Von der Schule, vom Fitnessstudio, vom warmen Meer, von der endlosen Dünenlandschaft der Rub Al-Khali. Vom Blick aus dem Fenster vor meinem Schreibtisch auf die Bougainvillea gegenüber. Vom Lieblingssupermarkt, der Lieblings-Mall, dem Lieblingspark, der Lieblings-Bar, den Lieblingsgebäuden, dem Lieblingsstrand. 
Viele "Noch ein letztes Mal ..."-Wege wurden gegangen: "Fotos" machen - mit den Augen und allen anderen Sinnen.

Abschied von guten Freunden. Doch auch anderen liebgewordenen Menschen, von denen man manchmal kaum den Namen kennt, mit denen man aber regelmäßig im Vorbeigehen ein Lächeln tauscht. Da steht man dann - auf der eigenen Farewell-Party, in der Schule zwischen Tür und Angel oder im Supermarkt - man verabschiedet sich diesmal "für immer", und denkt: 'Wie gern hätte ich sie, hätte ich ihn näher kennengelernt; mehr Zeit verbracht." Aber ach ...
Allerdings, man weiß ja nie! Wie oft schon haben wir jemanden in dem einen Land zurückgelassen (oder die Person uns) - nur um sich dann in einem ganz anderen wiederzutreffen?! Dass moderne soziale Kommunikationstechniken es heute leichtmachen, die anderen nicht ganz aus den Augen zu verlieren, manchmal auch Kontakte wieder zu intensivieren, sich zu besuchen - das macht den sich ausbreitenden Abschiedsschmerz zumindest etwas leichter.

"Was ist es, was für dich einen Ort wohnlich macht, dass du dich heimisch fühlst?", könnte man  fragen. Die Antwort ist einfach. Es gibt viele Gründe, aber am Ende ist es immer nur einer, der wichtigste, der Hauptgrund: die Menschen! Ich bin oft beglückt, was für unterschiedliche, jeder auf seine Art mich bereichernde Menschen ich mit den Jahren kennenlernen durfte. Durch viele habe ich etwas Neues erfahren, manchmal auch, ja, sagen wir es ruhig: Vorurteile abgebaut. Die Menschen sind das wichtigste Gut an jedem Lebensort.


Abschiednehmen - wo ist "Zuhause"?


Abschied nehmen muss ich auch vom wohligen Gefühl, dass keiner hier verlorengeht: Abu Dhabi wurde vor Kurzem in einer Studie zur sichersten (Groß-)Stadt der Welt erklärt. Hier bekommt man, wenn man Kreditkarte und Bargeld verschusselt hat, diese noch hinterhergetragen; Autos kann man unverschlossen herumstehen lassen, vergessene Taschen, Smartphones oder andere Dinge erhält man normalerweise verlässlich zurück; auch Gewaltkriminalität kommt kaum vor.

Ich muss mich verabschieden vom Blick in meinen Garten mit den hohen Bäumen, von Straßen und Plätzen, von Oud-Beduftung in Geschäften und typischen Geräuschen. Vom ganzen Alltag hier. Lokaltypischen Gewohnheiten wie: Ramadan-Schulbuszeiten; der Freitag ist der Samstag; ein Brunch beginnt mittags um eins, Schulen geben kein hitzefrei  ;-)

Wieder einmal ist ein Lebensabschnitt deutlich sichtbar abgeschlossen. Die ältere Tochter hat nach dem Abitur hier nun ihr eigenes Leben in Deutschland begonnen. Für die restliche Familie wird es bald ebenfalls ein "Sich-neu-Erfinden" am neuen Ort geben, geben müssen.

Und, da man diesen Satz ja oft zu hören bekommt: "Na IHR seid das ja gewöhnt - umziehen, Abschied nehmen; das ist ja für euch nicht so schlimm" ...
Doch. Es wächst einem als Expat nicht etwa automatisch so eine Art "Seelen-Hornhaut"! Nein, man gewöhnt sich nie wirklich dran. An die ganzen Verabschiedungen - oft für immer - schon gar nicht. Man nimmt es eher als Teil des Ganzen mit in Kauf.

Tränen. Die gehören wohl mit dazu ...


So karg. Und vielleicht gerade daher: so spirituell! Der Anblick der Wüste streichelt die Seele.


Heimkehr: Man badet nie zweimal im selben Fluss


Das unsichtbare Problem mit der Heimkehr ist: In der alten Heimat glauben die meisten ja, dass wir nun endlich "nach Hause kommen". Diese Fraktion ist witzigerweise quasi identisch mit der, welche uns bei jedem Urlaub fragt, ob man "sich denn schon eingelebt" habe. (Nein, deshalb bin ich ja dort auf Urlaub: Weil ich eben NICHT da lebe!)
Der Widerspruch, sich bei jedem Urlaub für ein paar Tage einleben zu müssen, jedoch nach 20 Jahren Abwesenheit - mit kurzen Unterbrechungen -  quasi durch Zauberhand einfach so wieder "heimkommen" zu können, fällt dabei wohl nicht weiter auf.

Also bitte, liebe Daheimgebliebenen: Wenn ihr demnächst die Feststellung trefft, die wohl alle Expats nach einigen Auslandsjahren zu hören bekommen, nämlich: 'Du musst ja SO froh sein, endlich wieder zu Hause zu sein?!" - wird meine Antwort wohl eher ein "Muss ich erst einmal rausfinden. In Wirklichkeit habe ich nämlich mein gefühltes Zuhause soeben erst eingebüßt."

Ein weises Sprichwort besagt, man könne nicht zweimal im selben Fluss baden, denn der Fluss verändere sich ständig. Nicht nur meine alte Heimat hat sich optisch, vor allem aber auch politisch verändert, auch die alten Bekannten haben derweil ihr eigenes Leben weitergelebt.
Doch auch ich selbst werde mich wohl in zwanzig Jahren irgendwie ein wenig entwickelt haben (hoffe ich zumindest); und dies durch die internationalen Erfahrungen möglicherweise noch einschneidender als ohnehin mit wachsender Erfahrung und Lebenszeit.

Ich komme also nicht einfach so heim. Es ist möglich, dass es sich zuweilen wie ein weiteres fremdes "Gastland" anfühlen wird. Auch damit werde ich, werden wir uns zu arrangieren lernen müssen. Fachleute für internationale Umzüge wissen, dass heftiger als der erwartbare Kulturschock beim Umzug in eine völlig fremde Umgebung die vergleichsweise vermutete 'leichte' Rückkehr ins Heimatland ist. "Reverse culture shock" heißt das Phänomen, umgekehrter Kulturschock.


WAS ICH    N*I*C*H*T   VERMISSEN WERDE:


* Kakerlaken!!! Durch alle unsere Gastländer haben sie uns "begleitet", aber ich will fortan keine einzige mehr sehen müssen. Noch nicht einmal in künftigen Urlauben.

* bei 45 Grad im Schatten in ein Auto einsteigen zu müssen, das jedoch bereits längere Zeit nicht im Schatten gestanden hat (und damit gut und gern 70 Grad Innentemperatur hat)

* dass es hier im Wüstenland so gut wie nie nach "Natur" riecht

* Familienleben, das sich an einer hier branchenüblichen 6-Tage- à 12- Stunden-Arbeitswoche des Verdieners orientieren muss

* bei jedem Flug nach Deutschland (oft für ganze zwei Monate Sommer) und bei jedem Flug zurück hierher zu grübeln, wie man nur alles in 23 kg Fluggepäck unterbringen soll?...


Emirates Palace, Abu Dhabis großartigstes Hotel und Fotokulisse


 WAS ICH AN ABU DHABI VERMISSEN WERDE:



* Niemals Kälte, kein eisiger Wind bei nasskalten 3°C und Matsch an den Füßen. Niemals mehr anziehen zu müssen als ein T-Shirt oder Sommerkleidchen und Schlappen.

* Fast immer heiter und entspannt wirkende Menschen - egal wo, die einen anlächeln - einfach so!
Diese Freundlichkeit äußert sich auch in netten Gesten weniger Begüterten gegenüber, ich verweise als Beispiel auf die aktuelle "Sharing Fridge"-Kampagne, mit welcher Ehrenamtliche dafür sorgen, dass Arbeiter schnell und kostenlos erfrischende und hochwertige Lebensmittel "für zwischendurch" finden. Auch Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeiter kommen gut bei diesen an.

* Die erstaunliche Vielfalt an Akzenten um einen herum, die das Englische annehmen kann

* Die freundlichen Security Guards an der Schranke zu unserem Wohncompound, die immer lächelnd winken, als freuten sie sich tatsächlich über meine Rückkehr

* Toleranz verschiedenster Art. Seien es die Nicht-Moslems, die hier z.B. recht selbstverständlich während des Ramadan nicht vor den Augen fastender Moslems essen und trinken. Seien es wiederum jene, welche in ihrem Land die Andersgläubigen in den Bars problemlos Alkohol trinken lassen. Seien es die Weihnachts- und Oster-, die Ramadan- und die Diwali-Dekorationen in den Läden.

Sei es in der Stadt Al Ain die St. George Jacobite Syrian Orthodox Simhasana Cathedral, welche unlängst moslemischen Arbeitern zum Fastenbrechen Iftar ihre Türen öffnete und Essen bereithielt.  
In Dubai hingegen öffnete eine Gurudwara (Tempel der indischen Sikhs) für ein Iftar allen ihre Pforte. Neben Sikhs und Moslems nahmen an dem religionsübergreifenden Essen auch zahlreiche Christen und Hindus teil. Anderes Beispiel: Die bisherige 'Mohammad Bin Zayed'-Moschee in Abu Dhabi wurde in einer großen Geste der Toleranz allgemein und gegenüber den Christen im Besonderen in 'Mary, Jesus' Mother'-Moschee am 14.6.2017 umbenannt, dem Welthumanitätstag.

* Ich schätzte es sehr, problemlos und zügig von A nach B zu kommen: Auf den mehrspurigen Stadtautobahnen gibt es (fast) nie Stau!

Radio 1 und Radio 2

* Chai Karak und Lemon Mint

* Weihnachtsmarkt an der Deutschen Schule: Jedes Jahr an einem Nachmittag im Dezember, sobald es dunkelt, duftet es auf dem Schulhof von Ständen nach frischen Waffeln, gebrannten Mandeln und Apfelpunsch. Zu weihnachtlichen Klängen von der Schulband gibt es passende Deko und kleine Geschenke zu kaufen, Bratwurst und Sauerkraut usw. gegen den Hunger sowie Spiele für die Jüngeren. Diese Tradition ist bei Abu Dhabi-anern jeglicher Herkunft ein sehr beliebtes Ereignis. Das Beste: es ist lau, keiner friert sich die Finger oder Zehen ab auf diesen Weihnachtsbasar!

* Selbst mit größerem Auto immer ausreichende und geräumige Parklücken zu finden

* Gecko "Günther", der auf fast schon magische Weise immer nur morgens zu dem Zeitpunkt hinter dem Elektrokasten vor der Haustür draußen sichtbar wurde, wenn unsere Töchter das Haus zum Bus verließen. Als wolle er "Guten Morgen" sagen! Ebenso mochten wir seine vielen kleinen Verwandten, die uns oft durchs Haus oder über die Wände und Decken huschend begegneten.
Außerdem die kleinen, rosa Tauben hier, die gewitzten Spatzen, die Weißwangenbülbüls (erinnern an Kohlmeisen mit Häubchen). Und natürlich die Mynas, eine Art auf Miniaturformat geschrumpfte Krähenpapageien in Graubraun mit gelben Beinen, die immer paarweise wichtig herumhüpfen und in der Lage sind, alle möglichen Laute und Geräusche zu imitieren

* Frischer Hummus und Tabbouleh zu jeder erdenklichen Tageszeit, für Minibeträge erhältlich!

* Schulbusse. Früh - Haustür auf, Kinder in den Bus. Nachmittags - Bus hält, Kinder wieder daheim

* Ich habe hier selbst tagtäglich erleben dürfen, dass das friedliche Zusammenleben keine schöne, aber ach leider-leider unerreichbare Utopie ist - sondern normaler Alltag in den VAE. Hat was von Garten Eden, wenn dieser erstaunliche Menschen-Mix auf die unspektakulärste, "normale" Art und Weise miteinander auskommt, die man sich nur denken kann. Eben, weil das "Fremde" hier das Normale ist. Selbst, wenn auch hier nicht alle gleich sind: Abfällige Blicke oder gar Worte (geschweige denn Tätlichkeiten) gegenüber "Anderen" wird man vergeblich suchen.

* "Ladies' Nights"! Mehr sage ich nicht   :-)

* Valet Parking: Autoschlüssel abgeben und gut.

* Der Gipfel der Genderisierung - aber so nennt das hier ja keiner: Nämlich, wenn einen die philippinischen Verkäufer und Verkäuferinnen im Laden mit "Hello, MamSir, how can I help you?" begrüßen

* Wie blöd vor die Tür rennen, dort wild herumhopsen vor Begeisterung und hoffen, dass NOCH ein paar mehr Regentropfen gleichzeitig fallen, damit das Instagram-Live-Video auch ansprechend wird

* Die eeeeeeeeendlos erscheinende runde Rechtskurve des Highways zwischen Großer Moschee und Officers Club

* Der weite Blick über die einzigartigen, riesigen Mangroven-Wälder mitten in der Stadt, wenn man die Salam-Street entlangfährt, mit etwas Glück sieht man diverse Wasservögel (u.a. Flamingos) am Ufer.

* Den sakralen Anblick der Großen Moschee selbst - der Sheikh Zayed Grand Mosque - und das ganz besonders zu Neumond, wenn sie (s.o.) in geheimnisvoll irisierendes Blau getaucht ist.

* Spontane Staatserlasse à la: "Morgen fällt für alle die Schule wegen Unwetter / zur Feier der gewonnenen Expo 2020 (o.ä.) aus".

* Unsere vielen, quasi legendären Kostüm- und anderen abgefahrenen Partys, die wir gefeiert haben ("Mangrovianer" und ihre Freunde wissen, wovon ich rede)

* Instrumental-, Sprach- und andere Lehrer, die ins Haus kommen

* "Raus-in-die-Natur-Gehen" auf Arabisch: Wüstenpicknick in den Dünen, und dann Off-road fahren  =  wie Achterbahn, nur kostenlos. Natürlich inklusive Steckenbleiben!

* Supermarkt an sieben Tagen die Woche, von früh um sieben bis Mitternacht

* Dass die Mondsichel hierzulande gemütlich im Nachthimmel zu liegen bzw. schweben scheint -  anstatt, wie in nördlicheren Gefilden, hochkant "Hab-acht" zu stehen.

* Dass alles um mich rum aufspringt (o.k.: aufspringen sollte ...), wenn ich "Yalla!" rufe. Und alles vorbei ist, wenn ich "Khallas!" sage. Ganz ohne Simultanübersetzer.

* richtig gute, frische Datteln und die vielen Fässer am Gewürzstand im Carrefour oder Lulu-Supermarket, wo man nicht nur alle Düfte, sondern auch Gewürze Arabiens genießen, sondern auch lose kaufen kann


* und selbstverständlich auch: Ideen für dieses Blog hier zu sammeln und aufzuschreiben



Blick auf das Ensemble der Etihad-Towers an der Corniche von Abu Dhabi. "Etihad" heißt so viel wie "Union" (der Emirate), so ist auch die einheimische Fluggesellschaft benannt.


Nach fünf Jahren: Gedanken über die Emirate


Ein Wort noch zu unserem ein großes Stück weit "Zuhause" gewordenen und so im Herzen bewahrten Gastland, den VAE.

Das Leben überrascht einen immer dort am meisten, wo man es am wenigsten erwartet, logischerweise. Nie hätte ich früher glauben wollen, dass dieses Wüstenland mit seinen vielen Extremen, ein "Königreich" gar, mir die Vorstellung eines "Modellstaats" in vielerlei (natürlich nicht jeglicher) Hinsicht werden könnte.
Ich möchte es so erklären: Das Idealbild menschlichen Zusammenlebens stellt oft die biblische Geschichte vom Turmbau zu Babel dar. Bis dahin hatten die Menschen, unbesehen ihrer Herkunft und Rasse, friedlich zusammengelebt; selbst eine gemeinsame Sprache hatte sie geeint. Doch der Hochmut, einen Turm bis hinauf in den Himmel bauen zu wollen, hatte Gott erzürnt. Als Strafe verwirrte er u.a. die eine Sprache der Menschen zu unzähligen verschieden, die sie fortan trennten.

In den Emiraten habe ich einen Lebensraum kennengelernt, der diesem Idealbild des Zusammenlebens vor dem Turmbau zu Babel zu ähneln scheint. Mit dem Unterschied, dass der Burj Khalifa mit 830 m momentan noch das höchste Bauwerk der Erde ist - momentan bauen die Emiratis allerdings schon am noch höheren Dubai Creek Tower, um die Saudis mit aktuell angepeilten 1007 m auszustechen ..., ohne dass Gott mit einem Blitzstrahl darauf niederzufahren scheint.

Denn obwohl - das muss man natürlich anmerken - hier zwar nicht alle Menschen "gleich" sind und es große Unterschiede in ihrem materiellen Reichtum gibt, so sieht man doch Menschen aller Farben, Kulturen, Sprachen, Religionen außerordentlich friedlich und tolerant tagtäglich miteinander leben. Selbst wenn sich nicht alle nahekommen, so wird doch jeder vom anderen mit einem Mindestmaß an Akzeptanz und Höflichkeit, zumeist auch Freundlichkeit behandelt.

Außerdem: Mit welcher Art von Skala misst man eigentlich Lebenszufriedenheit? Ist derjenige, der gemütlich auf seiner kleinen Yacht mit einem Champagnerkübel neben sich vor der Küste von Dubai auf den Wellen schaukelt (aus westlicher Sicht = reich) zwangsläufig glücklicher als der hier jätende Gärtner aus Bangladesch (aus westlicher Sicht = arm), welcher mit seinem kleinen Gehalt nicht nur sich, sondern auch noch seiner ganzen Großfamilie daheim, sprich ein halbes Dorf, ein relativ angenehmes Leben verschaffen kann? Das geht problemlos, da er für die Zeit seines Arbeitsvisums in den VAE Kost, Logis und medizinische Versorgung über seinen Sponsor gestellt bekommt.

Ich kann nicht in die Köpfe sehen. Aber was ich im Alltag auf den Gesichtern der Menschen und aus ihren Reaktionen entnehme: Sie wirken eigentlich queerbeet nicht etwa gestresst, genervt, voll passiver Aggression. Sondern freundlich, höflich, entspannt, ja: zufrieden.

Das ist etwas, was ich in anderen Weltgegenden momentan nicht überall erkennen kann. Selbst die "einende Sprache" (Englisch, für viele auch Arabisch) findet man hier wieder, wie in der biblischen Geschichte.

Natürlich gibt es noch mehr solche Schmelztiegel der Kulturen auf der Welt: Hongkong, London, New York, ... Die habe ich aber nicht kennengelernt, deshalb halte ich mich bei meinem Vergleich an die Emirate.

Vielleicht klingen meine Gedanken für manchen zu idealisiert. Ich weiß aber, dass zumindest fast alle meine in fünf Jahren des Expat-Lebens in den Emiraten gewonnenen Freunde und Bekannten verstehen und bejahen, was ich damit meine.
Überdies weiß ich von einer ganzen Reihe an Leuten, die teils schon seit Jahren nicht mehr in den VAE wohnen - und es dennoch weiter als ihr eigentliches Zuhause betrachten.

Irgendwas muss also "dran" sein :-)



Der Wüstenwind wird uns sicher irgendwann einmal 
für einige Tage wieder hierher wirbeln.
Bis dahin sage ich:





Foto Große Moschee: https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/736x/d7/30/0b/d7300b8845dd91c4b996834ccab109bf.jpg




Dienstag, 13. Juni 2017

Aus dem Nähkästchen: Ein Wort an potentielle Expats und "mitreisende Partner"


Da ich ja mein Leben als Expat nächste Woche beenden werde (wobei: Man denke an James Bond: "Never say never" ...), möchte ich noch ein paar Zeilen darüber verlieren.

Also ein Wort an alle diejenigen, welche vielleicht mit dem Gedanken spielen - oder bereits einen Termin haben - erstmals als Expat für längere Zeit fern der Heimat zu leben und zu arbeiten. Zumeist ist es ja so, dass bei Paaren und Familien einer die Entsendung ins Gastland erhält - und der Partner als "trailing spouse" mitzieht. Das ist immer noch in den meisten Fällen die Frau.

Und viele dieser "mitreisenden Ehefrauen" in spe haben, stellte ich häufig fest, EINE große Angst: 'Kann ich dort meine berufliche Karriere fortsetzen?' Viele wünschen sich quasi den gleichen Arbeitsplatz wie daheim, mit gleichem Gehalt (gut, vor einem besseren schreckten sicher wenige zurück) und den gleichen "Aufstiegschancen".

"Mitreisende Ehefrau"


Die Gegenfrage müsste lauten: Ist das wirklich immer wünschenswert? Es gibt einige Berufe, wo dies sicher durchaus im Gastland möglich ist. Und wo das Schulsystem (so man auch an Kinder zu denken hat) ganztägig ausgelegt ist oder man nachmittags eine Nanny engagieren kann. Nur: Nicht überall gehen alle Auslandsschulen bis spät in den Nachmittag, und nicht jeder kann sich mit einer Nanny anfreunden, die dann mit in der Familie wohnt. Oft wird dem "mitreisenden Ehepartner" jedoch auch gar kein Visum mit Arbeitserlaubnis ausgestellt.

Ich möchte diesen zweifelnden "mitreisenden Ehepartnern" Mut zusprechen, und dies durchaus ganz aus meiner eigenen Erfahrung heraus. Ich hatte in Deutschland einen prima Beruf. Doch in jedem  meiner bisher vier Gastländer habe ich einen oder mehrere, oft völlig "artfremde" Tätigkeiten ausgeübt. Und ich muss sagen: Ich würde es heute gar nicht mehr anders haben wollen! Die Einblicke in ganz andere Berufsfelder und Arbeitswelten haben mich, nach einiger Einarbeitungszeit, ungemein bereichert. Ich habe Dinge kennengelernt, von denen ich sonst sicher heute keine Ahnung hätte!

Auch durfte ich immer wieder feststellen, dass gerade jungen Müttern im Ausland viel mehr Familienfreundlichkeit entgegengebracht wird, als es in Europa denkbar wäre. Ich habe es mehr als einmal erlebt, dass ich eine angebotene Vollzeitstelle schon, leise bedauernd, ablehnen wollte, weil der Kindergarten, die Schule mittags schloss. Und was sagte der künftige Chef dann an dieser Stelle: "Oh, na wenn das so ist? Wenn die Schule nun mal mittags zumacht, dann versuchen wir mal, ob wir das nicht auch mit einer Halbtagsstelle hinbekommen!" Und - inklusive etwas Heimarbeit am PC - haben wir es dann auch immer hinbekommen.


"Was machst du denn dort den ganzen Tag, immer zu Hause?"


Selbst für den Fall, dass man im Gastland nicht so leicht eine bezahlte und dazu auch noch familienkompatible berufliche Tätigkeit finden sollte: Es gibt so viel mehr Möglichkeiten! Normalerweise reicht bei einer Entsendung dieses Gehalt für zwei oder mehr Personen durchaus aus. Ich habe in den vergangenen fast 20 Jahren Reiselebens viele bemerkenswerte Frauen kennengelernt, die sich auch - oder sogar gerade? - ohne Erwerbstätigkeit hervorragend selbst entwickelt haben! 

Frauen, welche zu interessanten, anregenden Gesprächspartnern (und auch: klugen Müttern!) geworden sind, weil sie "etwas aus sich gemacht" haben. Seien es wichtige ehrenamtliche Bereiche im Entsendungsort, die oft ohne solche engagierten Frauen brach lägen. Sei es das Eintauchen in die neue Sprache, das auch wiederum neue soziale Kontakte und damit Horizonterweiterungen mit sich brachte. Seien es Fernstudienabschlüsse, die gemacht oder bestimmte Kurse am Gastort, welche absolviert wurden und hie oder da auch künftig neue berufliche Möglichkeiten (sogar im Herkunftsland?) mit sich bringen. 
Seien es Frauen (bzw. mitreisende Männer, auch die gibt es ja), welche sich auf ihre Stärken besonnen haben und in die Selbstständigkeit gestartet sind - im ehemals gelernten oder auch im neu entdeckten Arbeitsfeld, im kleinen oder auch großen Rahmen. Nicht unterbewerten sollte man sicher auch die Zeit, die viele durch die "Freiheit vom Geldverdienenmüssen" bekamen, um sich in neuen Hobbies, Wissensbereichen oder auch Sport, Kultur und Literatur auszuprobieren, sich ständig weiterzuentwickeln, den Geist wie bei einem guten "Stretching" nach dem Sport zu dehnen und zu erweitern.

Wer immer noch Bedenken hat, wie sich solch eine "Lücke" im Lebenslauf bei Bewerbungen in der Zukunft wohl ausnehmen mag: Es sei nicht verschwiegen, dass beim Organisieren des Lebens am neuen Einsatzort in einer fremden Kultur das meiste nun mal am "trailing spouse" hängenbleibt. Einfach, weil der Entsendete oft happige Arbeitszeiten und oft dazu noch Dienstreisen zu bewältigen hat und dadurch fürs "Alltägliche" gar nicht bereitsteht. 
Sich in einer fremden Umgebung überhaupt erst einmal zurechtzufinden, sodass der Kühlschrank stets annehmbar gefüllt ist (wo kann ich was kaufen?), bei technischen Problemen im Haus Hilfe kommt (die Suche nach geeigneten Handwerkern bzw. das Prozedere, bis das Problem dann auch tatsächlich behoben ist, kann in manchen Weltgegenden durchaus ein Tage füllendes Programm werden!), man einen kundigen Arzt gefunden hat und auch ein paar Sozialkontakte geknüpft - all das sind Dinge, für die man zwar nachher keinen Orden und auch keine Gehaltserhöhung bekommt. Die aber essentiell sind, damit das Leben im fremden Land gelingt. 
Wer also später einmal so eine "Lücke" in der CV erklären muss: Es ist oft ein "Job an und für sich" mit vielseitigen Managererfordernissen unter erschwerten Bedingungen! Wer das hinbekommt, können Sie ihrem Chef in spe sagen, der ist wohl auch handelsüblichen, zentraleuropäischen Problemchen auf Arbeit gewachsen.

WAS MICH IN DER ZEIT IN DEN EMIRATEN BEREICHERT HAT:


  •    Ich habe ein Buch veröffentlicht (Näheres siehe Reiter in der Leiste oben), vieles über Publikation, PR, Drucklegung gelernt. Die  Übersetzung des ersten Buchs ins Englische angeschoben, ein weiteres Manuskript fertiggestellt und Ideen für weitere im Kopf. Außerdem konnte ich meine ersten Autorenlesungen halten.
  •    Habe einen postgradualen Abschluss als Sprachlehrerin für Erwachsene absolviert und so im Unterricht meine eigene Muttersprache mal mit den Augen von Deutsch-Schülern betrachtet.
  •    Ich habe wieder einmal meinen Horizont erweitert und u.a. festgestellt: 'Monarchie' ist nicht unbedingt und per se muffig-gestrig und ausbeuterisch. Genauso, wie 'Demokratie' nicht zwingend progressiv und zukunftsweisend sein muss. Das sind alles nur Begriffe. Entscheidend ist nicht der "-ismus", sondern das, was er mit seinen Einwohnern macht. Nicht die "Aufschrift" auf dem Kästchen zählt - man muss es schon aufmachen und hineinsehen, um festzustellen, was sich wirklich dahinter verbirgt.
  •    Ich habe Spaß - und gehörig schweißtreibendes Fitnesstraining! - gehabt, indem ich Zumba- und Bauchtanzkurse mitgemacht habe. Und zwar "kann" ich sicher nun nicht wirklich Klavierspielen, aber nach gut vier Jahren Unterricht hier zumindest einiges erkennbar musizieren. Außerdem habe ich endlich mal "richtig" tanzen gelernt - Standard und Latein querbeet (wobei: fertig ist man ja nie). Außerdem wieder unzählige Bücher gelesen....
  •    Und nicht zuletzt habe ich so viele großartige Menschen kennengelernt - und mit ihnen wieder viele kleine Stückchen mehr von der "Welt" im Großen und Kleinen kennenlernen und begreifen dürfen. 

 

Gewinn, der sich nicht mit Geld bezahlen lässt


Sicher ist kein Leben mit dem anderen vergleichbar. Noch viel weniger eines, das sich teilweise vielleicht auf einem oder gar mehreren anderen Kontinent abgespielt hat. Ich kann also am Ende nur für mich sprechen. 
Auch wenn dieses Leben als "Expat" nicht immer einfach ist, einen sehr fordert, anstrengt, ... : Ich bin froh und dankbar, dass ich diese Erfahrungen 'einsacken' durfte; ich würde es immer wieder genauso machen! 

Eines nämlich habe ich lernen dürfen - und weiß, dass dies auch unsere Kinder ganz automatisch so mitbekommen haben -: Dass es NIEMALS nur eine Art und Weise gibt, jegliche Sache zu betrachten, anzugehen, zu behandeln. Die Welt ist vielfältig und hat für alle möglichen Probleme und Erscheinungen eben auch unterschiedliche Arten, damit umzugehen. Und das ohne, dass die eine oder andere Weise "besser" wäre (höchstens auf die jeweilige Umwelt bezogen und abgestimmt). Genauso, wie Menschen viele Hautfarben, Sprachen, Kulturen haben, genauso variantenreiche sind ihre Essgewohnheiten, ihre religiösen Gebräuche, ihre Kindererziehung, die Gestaltung der Arbeitswert, das soziale Miteinander, ...

Dies alles existiert nebeneinander und könnte mehr oder minder auch harmonisch nebeneinander existieren, wenn nicht immer wieder Menschen sich dazu aufschwingen würden, "ihren" schmalen Ausschnitt an Weltsicht allen anderen als "einzig wahr und richtig" überstülpen zu wollen. 

Dass es jedenfalls MÖGLICH ist, die Vielfalt der Menschen friedlich zu vereinen, habe ich in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit seiner "Schmelztiegel"-Zusammensetzung erleben dürfen und werde es stets als Beispiel im Herzen bewahren.


Die Farben sind verschieden, auch ihr "Charakter" - Äpfel sind und bleiben sie. Das ist bei Menschen nicht anders.
Weitere Gedanken zum Thema "mitreisender Ehepartner" gibt's in diesem Blogbeitrag!


Quelle Bild top: http://www.gbpicsonline.com,
 Bild "Vielfalt statt Einfalt": http://www.aidshilfe-rlp.de/wp-content/uploads/2016/02/Aktionsb%C3%BCndnis-Vielfalt-statt-Einfalt.png

Donnerstag, 8. Juni 2017

Auf Safari in Al Ain


Der Zoo von Al Ain ist schon länger nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel für die Emiraties und ihre Gäste, sondern auch eine renommierte Bildungs- und eine moderne Forschungs-und Zuchtinstitution.

Seit einigen Monaten nun hat sich das Angebot des Zoos für die Besucher noch einmal beträchtlich um eine weitere Attraktion vermehrt: Sieben Jahre lang wurde am neuen, direkt anschließenden Safari-Park gebaut. Entstanden ist ein großes Gelände mit afrikanischen Tieren, das man im Großraumgefährten für max. 26 Personen oder auch im klimatisierten SUV durchqueren kann.Täglich werden diverse Touren angeboten.




Safari-Park des Zoos Al Ain mit derzeit afrikanischen Wildtieren
Wir hatten, mitten im heißen Juni und dazu noch Ramadan, eine Sonnenuntergangstour im SUV gebucht. Zwar mit 1000 Dhs nicht gerade billig, doch wenn man mit bis zu 6 Personen kommt, ist es dann doch relativ moderat.
Der junge emiratische Fahrer brachte uns zu den einzeln und in Gruppen herumstreifenden Tieren: Gazellen aller Art, Vögel, Zebras. Auch die Giraffen sind meist unterwegs, erwarteten uns jedoch bei unserem Ausflug lieber - die Füße im Teich nahe der Besucherplattform kühlend - in Erwartung ihrer abendlichen Karottensticks. Diese hatte unser Guide praktisch in Streifen geschnitten in der Tupperdose extra für uns dabei.
Die Löwengruppe befindet sich zur Sicherheit auf einem mittels Graben abgetrennten Gelände.

Die kleine Giraffenherde erwartete ihre abendlichen Karotten aus unserer Hand an der Besucherterrasse


Sonnenuntergangsstimmung bei den Gazellen















Bemerkenswert fand ich, dass diese Wildtiere im Laufe ihres bisherigen Safaripark-Aufenthalts dermaßen an Mensch und Auto gewöhnt worden sind, dass sie nicht nur die Köpfe in den Wagen stecken, sondern der Fahrer oft regelrecht Mühe hatte, nach einem weiteren Fotostopp wieder anzufahren, weil sie mit ihrer Flanke gemütlich schon fast am Auto lehnten ...

In den kommenden Jahren, so erfuhren wir, soll das Safari-Gelände, dem architektonisch hübsch angepasste Versorgungs- Souvernir- und Gastronomie-Gebäude vorgelagert sind, noch einmal um etwa die gleiche Ausdehnung mit einem "Asien"-Park erweitert werden soll. Zudem sind ringsherum Hotels mit Blick auf die Anlagen vorgesehen.


Das Sheikh Zayed Desert Learning Center, ein Museum über das Leben in der Wüste - mitten im Zoo Al Ain -, ist nicht nur thematisch, sondern auch architektonisch interessant

Der neue Zoo-Teil beherbergt überdies neue, weitläufig-moderne Gehege, einen anregenden "Garten der Sinne" mit vielen Probier-und Mitmachmöglichkeiten für die ganze Familie. Und das hat ganz besonders abends etwas sehr Spannendes; ein nächtlicher Zoo-Besuch während des Ramadans ist also so eine Art Geheimtipp.

Als Juwel kann man wohl auch das Sheikh Zayed Desert Learning Center bezeichnen. Dieses Museum bietet einen Überblick über alles, was mit dem Thema "Wüste" verbunden ist - geografisch, Tierwelt, aber auch Mensch und Wüste. Abends wirkt dieses architektonisch außergewöhnliche Gebäude mit seiner Beleuchtung wie ein von einem fremden Stern mitten im Zoo gelandetes Riesenobjekt!

"Garten der Sinne" mit u.a. täuschend echt nachgebauten Termitenhügeln im neuen Teil des Al Ain Zoo


Neues Hotel in Al Ain: das Aloft


Übenachtet haben wir im noch ganz neuen ALoft Hotel Al Ain. Direkt neben dem ebenfalls neuen Hazza Bin Zayed Stadium und dem anschließenden Wohnviertel gelegen, hat man vom Pool auf dem Dach einen schönen Rundumblick über diese grüne Stadt, u.a. auf den höchsten Berg der VAE, den Jebel Hafeet, an der Grenze zum Oman. 
Das Restaurant und die Poolbar bieten übrigens sehr innovative, moderne Fusionsküche - unbedingt empfehlenswert. 

Die Zimmer sind modern und angenehm günstig. Es gibt mehrere Restaurants bzw. Bars im Haus. Sehr angetan waren wir vom Iftar-Buffet im "Olive Tree" - Service und Speisenangebot waren auch hier sehr erfreulich.

Einfallsreiche Desserts beim Abendbuffet

Typische arabische Gewürze als Deko-Elemente im neuen Hotel der Oasenstadt Al Ain
  
Blick über den Infinity-Pool auf dem Dach des Aloft-Hotels Al Ain hinweg

Donnerstag, 1. Juni 2017

Masgouf: Irakische Fischspezialität in den Emiraten


Den offenen Grillstellen am Ufer des Tigris nachempfunden: Masgouf Restaurant in den V.A.E.
Nicht echt emiratische, aber halbwegs echt arabische Küche: Masgouf-Fisch.

In Abu Dhabi, aber auch Dubai und Sharjah gibt es ein sehr hübsches irakisches Restaurant mitten in der Stadt, das für moderate Preise riesige Portionen arabischer Küche serviert. Benannt ist es praktischerweise gleich noch seiner Hauptspezialität, dem Masgouf.

Das ist der typische Karpfen, der vor allem in Bagdad berühmt ist, aber auch andernorts Verbreitung fand. Traditionell wird der Fisch in der Mitte längs halbiert und die beiden, ziemlich großen, fast runden Seiten um ein offenes Feuer herum aufgestellt und so gegrillt. Das Fischfleisch ist unvergleichlich zart und unbedingt einen Versuch wert.

Masgouf ist ein Karpfenfisch, für den Bagdad stets berühmt war
Unter der Vielzahl und Reichaltigkeit der (Vor-)Speisen biegt sich die Tafel fast!


Das Dekor ist schön orientalisch, die Bedienung schnell und freundlich. Natürlich sollte man unbedingt einen Blick auf das vollverglaste "Lagerfeuer" am Eingang werfen, wo der Fisch frisch gegrillt wird, als sei es am Ufer des Tigris im Herzen Bagdads.

Wer einen Besuch plant, kann sich hier vorab informieren und auch einen Blick in die Speisekarten werfen. Kleiner Tipp: Allein die Vorspeisenplatten sind schon riesig! Also lieber etwas weniger bestellen. Oder aber: Hinterher einpacken lassen :-)

Form- und farbenfrohe Inneneinrichtung

Das Restaurant "Masgouf", manchmal auch "Maskoof", an der Ecke einer Hauptkreuzung in Abu Dhabi ist leicht zu finden

Montag, 22. Mai 2017

Ehe und Familie in den VAE

Wenn Ende dieser Woche der RAMADAN 2017 beginnt, ist das auch wieder für viele Emiraties eine ganz besonders hoch geschätzte Familienzeit.

Familie, Ehe, Frauenrechte. Ein häufig aufkommendes Thema nicht nur, wenn es um die Golfstaaten geht. Bedauerlicherweise - und das geht mir bei weitem nicht allein so! - sind ausgerechnet in den Vereinigten Arabischen Emiraten "Innenansichten" von einheimischen Familien für die Expats selten zu gewinnen.
Das liegt aber gewiss nicht daran, dass wir "Landesfremden" daran kein Interesse hätten oder aber die Einheimischen am liebsten nur unter sich bleiben. Nein, aufgrund der Bevölkerungszusammensetzung ist es groteskerweise gar nicht besonders leicht, in den Emiraten tatsächlich mit Emiraties persönlich enger in Kontakt zu kommen! Denn da sie ja nur ca. 15% der Gesamtbevölkerung ausmachen und somit eine Minderheit im eigenen Heimatland darstellen, ist das allein schon statistisch eher unwahrscheinlich. Vieles, was ich weiter unten beschreibe, ist also entweder recherchiert oder aber purer Augenschein.


Emiratischer Papa beim Kinderwagenschieben

Über unterschiedliche arabische (Familien-)Kulturen


Ich habe oft den Eindruck, vieles, was in westlichen Köpfen über das Thema "Ehe, Liebe, Frauen in der islamischen Welt" existiert, ist sehr stark geprägt von Vorlagen á la "Nicht ohne meine Tochter" und Medienberichten über kleine jemenitische Mädchen aus ärmstem Hause, welche an hässliche alte Männer zur Ehe "verkauft" werden, oder aber inhumane Exzesse von ISIS-"Kämpfern" etc.

Ich will keinesfalls in Abrede stellen, dass es Ungleichstellung der Frau und auch sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen leider auch in der islamischen Welt gibt - das Thema ist unbestritten ein ernstes. Wobei: Sind diese Probleme in der westlichen Welt eigentlich dermaßen komplett gelöst, dass man leicht auf andere missbilligend herabsehen kann? Wozu gibt es dann in Europa "Frauenhäuser", wohin misshandelte Frauen vor ihren Männern flüchten können?

Ich kann hier auch keine tiefschürfende Sozialstudie mit mehreren zehntausend Befragten zum Thema liefern, natürlich nicht, auch schaue ich nicht unter arabische Bettdecken und auch nur selten in ihr Familienleben hinein. Diese Erklärungen glaube ich, vorab geben zu müssen.


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Ich will es einmal anhand von Beispielen aus dem wahhabitisch geprägten Nachbarland der VAE versuchen, aus Saudi-Arabien. Viele saudische Männer - denen wir früher begegnet sind, als wir vor ca. 20 Jahren noch in Saudi-Arabien lebten - halten es selbst für skandalös, dass ihre Frauen und Töchter im Lande z.B. nicht Autofahren dürfen. Darum tun sie es dann gern heimlich, wo keiner zuguckt, in der Wüste oder aber im Ausland. Doch die enggeflochtenen sozialen Strukuren machen es schwer, solche Gedanken in ihrem Alltag eben auch umzusetzen.
Die neuerlichen zarten Lockerungen mancher Beschwernisse im Alltag für saudische Frauen mögen den Weg ebnen. King Salmans hat im Mai 2017 erstmals ein Dekret erlassen, das es künftig saudischen Frauen ermöglichen soll, ohne Einverständnis eines männlichen Familienmitglieds beruflich arbeiten, Sozialleistungen nutzen und Krankenhäuser sowie Universitäten besuchen zu können. Selbst Auto zu fahren rückt damit in Sichtweite.

Libyen war vor 2011, als wir dort wohnten, ein gemäßigt-konservativer Staat. Gaddafis Rolle der Frau war in seinem "Grünen Buch" klar definiert und im Vergleich zu anderen islamischen Gesellschaften recht liberal. Frauen gingen mit Kopftuch aus dem Haus, spielten im täglichen Leben zwar keine herausragende Rolle, waren aber schon durch Schulpflicht usw. eingebunden und übten teils auch anspruchsvolle Berufe aus, wenn auch nicht mehrheitlich.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten laufen solche Dinge schon lange ganz anders ab; wir würden sagen: westlicher, freier, liberaler. Frauen "dürfen" sich durchaus bilden und auch einen Beruf ausüben; natürlich fahren emiratische Frauen selbst Auto und natürlich können sie auch allein reisen.


Emiratische Mütter sieht man zumeist in der Gruppe unterwegs

Heiratsalter, Familienleben, Stillgesetz


Das gesetzliche Mindestalter für Eheschließungen in den VAE beträgt 18 Jahre; das gegenwärtig durchschnittliche Heiratsalter liegt in den Emiraten für Frauen bei 25,9 Jahren und 26,5 bei Männern (im Jahre 2010). Zum Vergleich: In Deutschland liegt gegenwärtig (2012) das Heiratsalter bei Frauen bei 29,9 und bei Männern bei 32,2 Jahren. In Deutschland ist Heirat gesetzlich momentan noch ab 16 Jahren erlaubt, aber dies wird bald auf 18 angehoben.
Die meisten Emiratis halten 21 Jahre für die Schwelle zum "echten" Erwachsensein - aus Gründen der Ausbildung und Reife. Und selbst dann wird von den Eltern erwartet, dass die jungen Eheleute ihre Berufsausbildung oder das Studium beenden.

Viele islamische Familien "funktionieren" durchaus noch traditonell, d.h. Männer wirken mehr im "Draußen" und Frauen eher im "Innen", auch leben mehr Familienmitglieder gemeinsam. Obwohl Ehepaare daher vermutlich weniger Zeit gemeinsam (allein) miteinander verbringen, als in der westlichen Gesellschaft, versauert wohl keiner der Partner einsam in getrennten Zimmern vorm TV, denn die eigenen Eltern, Geschwister, Cousinen, Tanten und Kinder des eigenen Geschlechts sorgen für Geselligkeit.

Diesen Punkt darf man auch bei der Kindererziehung nicht vernachlässigen: In traditionellen Gesellschaften ist ein Baby oder Kind nicht einzig und allein "Muttersache", sondern zahlreiche Verwandte stehen ständig in Bereitschaft! Mit dem Trend zur "Verwestlichung" auch in arabischen Sozialmilieus und einhergehender Verkleinerung der regelmäßig zusammenlebenden Familie sinkt quasi parallel auch die Anzahl der Kinder pro (Klein-) Familie; eine Entwicklung, die weltweit beobachtet wird.


Auch im Alltag scheinen kleine Kinder hier nicht zwingend an der Mama zu kleben. Einerseits sind in emiratischen Familien Hausangestellte inklusive Kinderfrauen normaler Standard (mit allen positiven und auch negativen Auswirkungen).
Übrigens haben die VAE als einziges Land der Welt ein "Stillgebotsgesetz"! Seit vergangenem Jahr sind alle emiratischen Mütter dazu aufgefordert, ihr Kind zwei Jahre lang zu stillen, sofern ihnen das medizinisch möglich ist. Über die Durchsetzung des Gesetzes wurde allerdings nicht verlautbart. Ich könnte mir vorstellen, es ist vor allem ein geschickter Schachzug, um einheimische Mütter dazu zu bringen, überhaupt wieder Zeit mit ihren Kleinkindern zu verbringen, die man oft eher nur an der Hand der Nanny sieht ...






















Doch auch die Väter spielen eine aktive Rolle. 
Ich nenne sie immer die "Emirati-Papis". Oft kommt es mir in diversen Shopping Malls oder anderen öffentlichen Orten so vor, als sähe ich immer nur die emiratische Papas allein den Kinderwagen schiebend einkaufen oder stundenlang Kleinkinder auf dem Arm herumtragen. Die Mütter hingegen - leicht erkennbar an der schwarzen Abahya - erlebe ich niemals allein mit Säugling oder Kleinkind unterwegs; immer ist zumindest eine Kinderfrau dabei oder auch ganze Frauentrupps (Schwestern, Cousinen, Tanten, Freundinnen,....), welche abwechselnd das Kind betreuen.































Besonders geduldige Spezies: Der "Emirati-Papa"


In unserem Compound befindet sich genau gegenüber des 'Ladies Gym', in welchem ausschließlich Frauen ihre Fitness trainieren, eine Kinderkrippe. (Es gibt auch noch ein 'Male Gym', das aber ebenso von Frauen besucht wird - eigentlich eine Benachteiligung der Männer, oder?) Wenn ich dort frühmorgens auf Ergometer oder Laufband zugange bin, kann ich die Ankömmlinge beobachten: Expat-Mütter oder auch deren Kinderfrauen aus dem Compound, welche die 0 - 3jährigen in der Einrichtung abgeben. Aber auch viele Emiraties, die zumeist mit dem Auto von außerhalb kommen. Unter letzteren dominieren eindeutig die Väter; einer kommt stets in der Uniform der Emiratischen Streitkräfte. Ob er dort flexible Arbeitszeiten hat? Jedenfalls dauert das Abgeben seines kleinen Sohns, der morgens oft keine Lust auf Krippe hat, doch ziemlich lange ...

Besonders gern sehe ich immer einem Emirati-Papi zu, der seine beiden Töchterchen mit dem Auto bringt. Erst geht die Fahrertür auf, der Vater im eleganten weißen Langhemd steigt aus, geht gemessenen Schritts um den Wagen herum und hebt hinten Tochter 1 (ca. 3 Jahre) heraus. Er stellt sie vorsichtig auf den Boden, zupft das hübsche Kleid zurecht und kauert sich dann hinunter, um mit ihr  irgendetwas Winziges auf dem Gehsteig zu betrachten. Doch da scheint es Protest aus dem Autofont zu geben - der Vater schreitet also zur anderen Tür und hebt Tochter 2 (ca. 1 1/2) heraus.
Während er sie ebenfalls auf den Gehweg stellt, ist Tochter 1 offensichtlich eingefallen, dass sie ihre Tasche vergessen hat. Während sie ungeduldig herumhüpft, holt ihr Vater den Marienkäferucksack und setzt ihn ihr auf.

Tochter 2 rennt mit breiten Wackelschritten weg und wird mehrfach nach einem spielerischen "Wettlauf" vom Papa eingefangen und durch die Luft geschwenkt - um kreischend gleich wieder loszurennen. Bis sie hinfällt und auf Papas Arm dringend getröstet werden muss. Dies wiederum scheint die ältere Schwester mit Eifersucht zu beobachten. Sie zieht also so lange dringlich an der weißen Dischdascha ihres Vaters herum, bis er ihr ein Trinkpäckchen aus dem Auto holt.  

Inzwischen sind locker 10 Minuten vergangen. Bis der Vater kinderlos aus der Krippentür erscheint, wieder in seinen Wagen steigt und vermutlich ins Büro fährt, dauert es dann noch eine ganze Weile. Seine liebevolle Geduld und Gelassenheit bestrickt mich jedes Mal erneut, wenn ich das Trio sehe. Wobei diese drei für unzählige einheimische Kleinkindväter stehen, die ich hier oft in ihrer offensichtlich unerschütterlichen Freundlichkeit und Geruhsamkeit im Umgang mit ihrem Nachwuchs erlebte. Dann erinnere ich mich immer reflexhaft auch an den hektischen "Nun hör aber auf!- Ich muss jetzt zur Arbeit!"-Tumult westlicher Eltern in der Früh in deutschen Kindergärten.

Kein Wunder, dass die Emiaties in der Welt für viele Rekorde bekannt sind, aber nicht für den in Sachen Pünktlichkeit am Morgen. Ist ja klar, wenn die Familie, insbesondere die lieben Kleinen, einen so beschäftigt halten ...




Familienfreundlichkeit made in VAE: kleine Kindertoilette neben der üblichen in einer Mall